Das
Jahr neigt sich mit riesengroßen Schritten seinem Ende zu und ich
merke, wie sich nun eine wohlbekannte Müdigkeit in mir ausbreitet. Ich
nenne sie gern die "Jahresende-Müdigkeit", die sich bedächtig und ruhig
anfühlt. Es ist eine gute Müdigkeit, die mich auffordert, träge auf dem
Sofa sitzend das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen.
Denn
ich fühle mich am Ende eines Jahres häufig merkwürdig vergesslich.
Einige Erlebnisse des Jahres sind mir noch allzu präsent. Anderes
hingegen wirkt schon wie in weite Ferne gerückt. Schaue ich noch einmal
genauer hin, fallen sie mir wieder ein, die vielen kleinen
Mosaiksteinchen, aus denen sich mein Leben in diesem Jahr
zusammengesetzt hat. Keine Riesenkracher - kein Uniabschluss, kein
erster Job, kein Umzug oder ähnlich große Dinge. Es sind kleinere Dinge,
die man glatt übersehen könnte, wenn man das Jahr nur oberflächlich
betrachtet. Doch diese Kleinigkeiten hatten es, jedenfalls für mich, in
sich. Wenn ihr wissen möchtet, welche vier Dinge mich im letzten Jahr
vorangebracht und beschäftigt haben – los geht's!
1. Lets go outside!
Schon immer hat es mich nach draußen gezogen. Als Kind, als Teenager. Mit Freundinnen, den Nachbarskindern oder dem einen oder anderen Hund. Draußen mit anderen spielen oder einfach nur herumvagabundieren war das Größte. In 2017 habe ich eine neue Art des Herumstromerns für mich entdeckt: Alleine spazierengehen. Nur ich, kein Hund, kein Partner, keine sonstige Begleitung. Nur ich mit meinen Gedanken, irgendwo draußen mit Baumkronen über mir und kiesgedeckten Wegen unter meinen Füßen.
Irgendwann war dieser Gedanke ans alleine Spazierengehen da, zunächst war es nur ein vages Gefühl. Es tauchte auf, während ich am Schreibtisch saß, auf die Tastatur meines Laptops hämmerte und mein Blick ständig nach draußen schweifte. Dieses Szenario wiederholte sich Tag um Tag. Bis ich schließlich diesen Gefühl nachgab, meine Jacke überstreifte und mich auf den Weg machte. Dieses Gefühl, sich im wahrsten Sinne des Wortes vom Fleck zu bewegen, tat sofort gut. Und es tat unfassbar gut, nicht zu reden. Auch niemandem zuzuhören. Einfach nur ich, mit meinen Gedanken und den Geräuschen der Natur.

Interessanterweise hat ein einsamer Spaziergang auf mich oft eine ungleich stärkere Wirkung. Vielleicht, weil ich die Natur bewusster wahrnehme, wenn kein Gespräch meine Konzentration erfordert? Vielleicht, weil "Ich-Zeit" so wertvoll ist und das Gefühl, sich selbst bewusst in den Mittelpunkt zu rücken, einfach gut tut? Vielleicht ist es eine Kombination aus beidem. Ich weiß jedenfalls, dass ich meine Alleingänge auch in 2018 fortführen und noch fester in meine wöchentliche Routine einbauen möchte.
2. Lets go inside!
So, wie ich meine Alleingänge in der Natur liebengelernt habe, habe ich auch Meditation für mich entdeckt. Schon lange war ich auf der Suche nach etwas, das mich "runterbringt". Mein Job ist oft stressig und es wollen mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft gehalten werden. Für jemanden, der Multitasking blöd findet, keine leichte Sache. In 2017 merkte ich irgendwann, dass ich meinen Kopf nur noch schlecht abschalten konnte. Gedanken an die Arbeit, Sorgen um unseren Hund (der jetzt als Hundesenior so seine Zipperlein hat), zu wenig Zeit für Hobbies und eine Familie, die in alle Winde verstreut lebt – mir kam es in diesem Jahr oft so vor, als würde ich mir ständig Gedanken machen. Wie will ich leben und wo? Will ich etwas verändern und wenn ja, was? Wozu bin ich bereit? Im Außen passierte in dieser Hinsicht nur wenig und wer mich und meinen Mann von außen beobachtet hat, würde annehmen, alles war in 2017 wie gehabt. Doch im Inneren da tanzten die Gedanken gerne mal Pogo!
Anstrengend, so eine Horde Gedanken zu zähmen! Anstrengend, nach langen Grübeltagen zu versuchen, abends abzuschalten. Ja, ich glaube, das Wörtchen "anstrengend" trifft es gut. Auch hier war es mein Bauchgefühl, das mir einen Ausweg aufzeigte. Schon lange dachte ich an Meditation. Um den Gedanken daran gleich wieder zu verwerfen. Ich hatte während meiner Schulzeit meditiert, in einem Schulworkshop. Es war die reinste Katastrophe. Noch nie waren meine Gedanken so aufmüpfig gewesen wie während der Meditationsstunden. Allein die Vorstellung, nicht denken zu dürfen, machte mich kirre. Doch der Wunsch, es nach so langer Zeit mal wieder zu probieren, war stärker. Durch einen glücklichen Zufall stieß ich im Internet auf Headspace. Kennt ihr diese Plattform?
Headspace ist eine Plattform für Meditationswillige weltweit. Man findet auf dieser fabelhaften Webseite geführte Meditationen, die so genial sind, dass ich bereits nach der ersten Probesession hin und weg war. Andy Puddicombe, der Betreiber von Headspace, lebte als buddhistischer Mönch und erlernte in über zehn Jahren in Ländern wie Nepal und Thailand zu meditieren. Seine geführten Meditationen gefallen mir deshalb so gut, weil sie schnörkellos, ohne Musik, gesprochen sind. Andy nimmt einen an die Hand und gibt einem, gerade als Anfänger, die ausdrückliche Erlaubnis, die Gedanken während einer Meditation immer mal wieder wandern zu lassen. Allein das ist so wohltuend und nimmt jeglichen Stress – es gibt kein Richtig oder Falsch. Die Hauptsache ist, dass man sich auf den Weg macht. Dass man sich täglich wenige Minuten Zeit nimmt. Dass man sich erlaubt, einfach mal "nichts" zu tun. Ich merke, dass bereits zehn Minuten meditieren eine bemerkenswerte Wirkung hat. Es entspannt und "zähmt" die Gedankenhorde. Es fällt deutlich leichter, Grübelgedanken kommen, aber auch wieder gehen zu lassen :-).
3. Zeit für kleine Abenteuer
Es müssen nicht immer Weltreisen sein. Früher sind mein Mann und ich um den Globus gereist, haben Länder am anderen Ende der Welt gesehen, die verschiedensten Kulturen kennengelernt. Das war manchmal ganz schön abenteuerlich (nicht nur, wenn ich an das Essen denke). Und es war einfach schön. In 2017 hatten wir keine Gelegenheit, Fernreisen zu unternehmen. Doch das war nicht nötig, denn ich habe meine kleine Abenteuerlust direkt vor der Haustür gestillt. Und festgestellt, wie viel Interessantes direkt vor meinen Füßen liegt – nach dem Motto "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah."
Ich habe neue Restaurants in der Umgebung getestet und mir bis dahin unbekannte Städte wie das schnuckelige Lüneburg oder Prag kennengelernt. Ich bin im Fitnessstudio vorstellig geworden. Habe etliche neue Rezepte getestet. Und vor allem habe ich mit meinem Mann unsere unmittelbare Umgebung erkundet, mehr als in den Jahren zuvor. Wir sind auf unbekannte Berge gekraxelt oder haben neue Pfade auf altbekannte "Hausberge" entdeckt. Wir waren zu ungewohnten Uhrzeiten, oft spätabends, in der Natur unterwegs, haben zum ersten Mal Glühwürmchen gesehen und standen im Winter mit dampfenden Glühweintassen zugeschneit an einem kleinen Teich in unserer Nähe.
Neues zu entdecken, ist so unfassbar wichtig. Nicht nur, weil man dazulernt und sich aus seiner ach so bequemen Komfortzone hinausbewegt, sondern auch aus einem scheinbar schnöden, physiologischen Grund: Immer, wenn wir etwas Neues ausprobieren, produziert unser Gehirn fleißig Dopamin. Also jenen Nervenbotenstoff, der dafür sorgt, dass wir fokussiert und motiviert sind. Der dafür sorgt, dass wir Dinge geregelt bekommen. Dass wir unsere Ziele anvisieren und auch tatsächlich damit loslegen, sie zu erreichen. Es gibt viele Wege, den Dopaminspiegel in unserem Gehirn zu erhöhen – einer davon lautet: Probiere Neues aus. Sei kreativ.
Sei es beim Musizieren, beim Tanzen, beim Kreieren von Rezepten, beim Erkunden neuer Spazier- oder Wanderwege, beim Stricken oder Zeichnen – euer Gehirn wird Dopamin produzieren, wenn ihr kreativen oder neuen Dingen nachgeht. Und das muss nicht immer die Fernreise sein, das außergewöhnliche Hobby. Vor allem die Alltagsabenteuer, die sich ohne großen Aufwand umsetzen lassen, sind fabelhaft. Ich werde mir auch für 2018 vornehmen, genauer hinzusehen und meinen Blick für die kleinen Abenteuer zu schärfen.
4. Lesestunde
Bücher. Ohne sie wäre ich nur ein halber Mensch. Während Studium und Referendariat habe ich fast vergessen, wie sehr ich das Lesen liebe. Ich habe damals so viel Fachliteratur bewältigt, dass mir der Spaß an Literatur nahezu abhanden gekommen ist. Keine schöne Vorstellung.
Fachliteratur gehört auch heute nach wie vor zu meinem (Berufs)Alltag, doch eben nicht nur. Auf meinem Nachttisch haben sich in 2017 so viele Bücher gestapelt wie lange nicht mehr. Sie liegen in der Küche, auf dem Sofa, auf dem Esstisch :-). Romane, Kochbücher, Ratgeber – in der Regel habe ich zwei oder drei Bücher, die ich parallel lese.
Ein Glück, dass unterm Weihnachtsbaum jede Menge neues Lesefutter für mich lag. Ich freue mich schon sehr auf "Lykke" von Meik Wiking, "Was vom Tage übrig blieb" von Kazuo Ishiguro oder "Ein Monat auf dem Land" von J. L. Carr.
Diese Leselust ist wunderbar – selbst nach einem eher mäßigen Buch habe ich das Gefühl, noch irgendetwas mitgenommen zu haben. Und darauf freue ich mich auch in 2018.
Ihr Lieben, ich wünsche euch nun einen guten Rutsch ins neue Jahr! Danke für eure Treue, fürs Lesen, fürs Kommentieren oder einfach nur stilles Mitlesen. Ich hoffe, ihr habt wunderbare Vorsätze für 2018 und geht sie mutig an. Wir lesen uns hoffentlich bald wieder. Ich freue mich darauf.